Was ist Gehirnnebel in den Wechseljahren?
Eine meiner Kundinnen fragte mich mal:
„Sag mal, ich traue mich gar nicht, es auszusprechen. Aber seit ich in den Wechseljahren bin, habe ich das Gefühl, mein Gehirn funktioniert nicht mehr. Ich gehe ins andere Zimmer – und weiß nicht mehr warum. Ich schreibe eine Einkaufsliste – und vergesse die zu Hause. To-Do Listen ohne Ende – und dann kann ich mich nicht erinnern, wo ich die gespeichert habe. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist die eines Goldfisches. Habe ich ADHS oder ist das die Wechseljahresblödheit. ODER ETWA DEMENZ?“
Wenn Du eine Frau in den 50er Jahren bist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Du in den Wechseljahren bist. Oder kurz vor der Menopause stehst.
Vielleicht hat Du ja schon einige der bekannten und wenig beliebten Symptome mitbekommen: nächtliche Schweißausbrüche, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und Extrapfunde natürlich, mein Fachgebiet.
Viele Frauen berichten aber auch, dass sie vergesslich werden oder ein ständiges Gefühl von „Nebel im Kopf“ haben, der es ihnen schwer macht, sich zu konzentrieren.
Gehören Gedächtnisprobleme zu den Wechseljahren? Ja. Und dieser „Brain Fog“ ist häufiger, als Du vielleicht denkst.
Aber gerade, wenn Du vielleicht Fälle von Alzheimer in der Familie hast oder gar bei Deinen Eltern beobachten musstest, kommt natürlich die Angst dazu.
Was sagt die Forschung zu Brain Fog in den Wechseljahren?
Ich möchte Dich nicht mit Studienendetails langweilen, aber es wirkt wahrscheinlich doch beruhigend, wenn Du das liest: In einer Studie berichten Forscher, dass etwa 60 Prozent der Frauen mittleren Alters über Konzentrationsschwierigkeiten und andere kognitive Probleme berichten. Diese Probleme treten erstmals bei Frauen auf, die sich in der Perimenopause befinden.
Zur Erinnerung: Perimenopause ist das Stadium kurz vor dem völligen Ausbleiben des Menstruationszyklus. Die Frauen in der Studie bemerkten subtile Veränderungen im Gedächtnis, aber die Forscher glauben auch, dass eine negative Grundstimmung dieses Ergebnis mit verursachen kann. Dass unsere Stimmung in dieser Zeit nicht die beste ist, brauche ich wahrscheinlich keiner Frau zu erzählen. Hier glauben auch die Forscher, dass diese „emotionale Flexibilität“ mit Gedächtnisproblemen zusammenhängen kann. Klar, wenn ich gereizt bin, weil der Partner wieder sein schmutziges Geschirr hat stehen lassen und diese Gereiztheit sich ausweitet, bis hin zum Wutanfall – kann unser Gehirn sich nicht mehr mit anderen Dingen befassen.
Darüber hinaus kann der „Brain Fog“ auch mit Schlafproblemen und Hitzewallungen zusammenhängen. Auch das ist eigentlich logisch: Wenn wir durch Hitzewallungen oder aus welchen Gründen auch immer, schlecht schlafen, sind wir am nächsten Tag nicht konzentrationsfähig.
Was aber noch bemerkenswert ist (auch hier kannst Du die entsprechende Studie nachlesen): in der frühen Phase der Wechseljahre, also kurz nach der letzten Regelblutung, schnitten Frauen bei Test der kognitiven Fähigkeiten schlechter ab. Getestet wurden die Bereiche
- verbales Lernen
- Gedächtnis
- motorische Funktion
- Aufmerksamkeit
- Arbeitsgedächtnisaufgaben
Jetzt die gute Nachricht: das Gedächtnis der Frauen verbesserte sich im Laufe der Zeit. Die Forscher hatten zwar das Gegenteil vermutet, aber es erscheint mir durchaus logisch, dass sich die hormonbedingten „Nebel im Kopf“ verziehen, sobald sich die Hormone eingependelt haben.
Welche Hormone verursachen denn das Chaos?
Dass es was mit Hormonen zu tun hat, ist klar. Östrogen, Progesteron, follikelstimulierendes Hormon (FSH) und luteinisierendes Hormon (LH) sind alle für verschiedene Prozesse im Körper verantwortlich, darunter auch für die Wahrnehmung. In der Perimenopause und in der Zeit um die letzte Blutung kann der Hormonspiegel stark schwanken. Einzelne Hormone schwanken stärker, als andere und dadurch kommt zum Ungleichgewicht und zu Anpassungsproblemen.
Es ist also ähnlich, wie in der Pubertät, wenn wir das Gefühl haben, dass unsere Kinder eigentlich ein Warnschild auf der Stirn tragen müssten: Wegen Umbauarbeiten vorübergehend außer Betrieb.
Wann soll ich Hilfe in Anspruch nehmen?
Ich wiederhole es gerne und bewusst immer wieder (und erinnere mich, dass ich das bereits geschrieben hatte): Gedächtnisprobleme in den Wechseljahren können völlig normal sein.
Du vergisst vielleicht, wo Du Dein Smartphone hingelegt hast, oder hast Schwierigkeiten, Dir den Namen eines Bekannten zu merken. Meine Theorie an dieser Stelle: vielleicht ist das ein Selbstschutzmechanismus unseres Gehirnes? Ein Hinweis, es mal eine Stunde ohne Smartphone zu probieren? Und Menschen, deren Namen wir uns so gar nicht merken können – spielen die eine wichtige Rolle?
Aber ich verstehe natürlich auch Deine Bedenken. Spätestens, wenn solche kognitiven Probleme beginnen, Dein tägliches Leben negativ zu beeinflussen, ist es vielleicht an der Zeit, einen Arzt aufzusuchen. Wir können es leider nicht ganz verleugnen: auch eine Demenzerkrankung kann zu solchen „Ausfällen“ führen. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache für Demenz. Sie beginnt mit Schwierigkeiten, sich an Dinge zu erinnern und Gedanken zu ordnen.
Im Gegensatz zum „Brain Fog“, der mit den Wechseljahren in Verbindung gebracht wird und sich über die Jahre (ja, es können 4-6 Jahre sein) verbessert, ist Alzheimer jedoch eine fortschreitende Krankheit, die sich mit der Zeit verschlimmert.
Achte auf Symptome, die auf ernstere Gedächtnisprobleme hindeuten können, wie z. B:
- Wiederholung von Fragen oder Kommentaren
- Vernachlässigung der Hygiene
- Vergessen, wie man gewöhnliche Gegenstände benutzt
- Unfähigkeit, Anweisungen zu verstehen oder zu befolgen
- Vergessen von gängigen Wörtern
- sich an Orten zu verirren, die man eigentlich gut kennt
- Schwierigkeiten bei der Verrichtung grundlegender täglicher Aktivitäten
Symptome wie diese rechtfertigen einen Arztbesuch. Der Arzt kann prüfen, ob eine Demenz oder die Alzheimer-Krankheit vorliegen könnte.
Aber nicht gleich in Panik verfallen. Es gibt aber auch viele andere Gründe für Gedächtnisverlust, darunter:
- Medikamente
- Infektion
- Kopfverletzung
- Alkoholismus
- Depression
- Überfunktion der Schilddrüse
Dein Arzt kann Dir helfen, die Ursache für Deine Gedächtnisstörungen herauszufinden und die beste Behandlung zu empfehlen.
Was kann ich tun, damit der Nebel verschwindet?
Bei vielen Frauen ist der „Gehirnnebel“ in den Wechseljahren nur leicht, bis mittel ausgeprägt und verschwindet mit der Zeit von selbst. Schwerwiegendere Gedächtnisprobleme sind zwar selten, können aber auch vorkommen. Wenn Du also die Körperpflege vernachlässigst, Du den ganzen Tag im Jogginganzug rumhängst und Schwierigkeiten hast, Anweisungen zu befolgen, so kann das tatsächlich „dichter Hirn-Nebel“ sein. Oder die Folgen eines strikten Lockdowns im Home-Office.
Sobald Dein Arzt andere Probleme wie Demenz ausgeschlossen hat, solltest Du eine Hormonersatztherapie in Betracht ziehen. Bei dieser Behandlung wird entweder niedrig dosiertes Östrogen oder eine Kombination aus Östrogen und Gestagen eingenommen. Auch bioidente oder bioidentische Hormone können hier eine Option sein.
Diese Hormone können bei vielen Symptomen helfen, die während der Wechseljahre auftreten, nicht nur bei Gedächtnisverlust. Ja, die haben ihre Nebenwirkungen und sollten genau auf die Frau abgestimmt sein. Aber bevor ich mich einige Jahre mit unangenehmen Symptomen herumschlage, die meine Lebensqualität stark einschränken oder gar meine berufliche Existenz gefährden, sollte ich meine Möglichkeiten zumindest kennen.
Kann ich vielleicht vorbeugen?
Dann kommt es vielleicht gar nicht erst dazu, dass Du eine Hormonersatztherapie überhaupt in Betracht ziehen musst.
Ich komme jetzt ungern mit schlechten Nachrichten, aber Du wirst es nicht komplett vermeiden können, wenn Du eine Veranlagung dazu hast. Du kannst aber durch eine gesunde Lebensweise nicht nur die Symptome der Wechseljahre insgesamt lindern, sondern auch Deinem Gehirn etwas Gutes tun.
Guter Schlaf
Schlafmangel trägt zu Stimmungsschwankungen und Depressionen bei. Probiere diese Tipps aus, um einen gesunden Schlafzyklus aufrechtzuerhalten. Denn nur wenn wir unserem Körper die Ruhephasen geben, die er braucht, funktioniert auch der Kopf:
- Halte einen regelmäßigen Schlafrhythmus ein, auch an den Wochenenden.
- Reduziere Deinen Koffeinkonsum. Am besten ab der Mittagszeit ganz auf Koffein verzichten
- Halte Dein Schlafzimmer kühl und stelle einen Ventilator in der Nähe Deines Bettes auf.
- Kaufe ein Kühlkissen oder Kissen mit Kühlelementen.
- Sorge dafür, dass Dein Zimmer so dunkel wie möglich ist.
- Erlerne Entspannungstechniken, wie z. B. achtsame Meditation oder Yoga.
- Treibe Sport, aber nicht direkt vor dem Schlafengehen.
- Benutze Bettwäsche aus Naturfasern, wie Baumwolle, Hanf, Leinen oder Seide.
- Vermeide Alkohol, Rauchen und scharfes Essen.
- Bitte kein Smartphone, Tablet oder Fernseher im Schlafzimmer
- Lade Dir mein kostenloses E-Book „Pimp your bedroom“ herunter.
- Wenn Du längere Zeit sehr schlecht schläfst, sprich Deinen Arzt an und lasse Dich an ein Schlaflabor überweisen.
Gesund essen
Genau mein Thema und genau das, worüber ich schon so oft geschrieben habe. Zum Start solltest Du Dir nochmals meinen letzten Blogartikel durchlesen: Phytoöstrogene als Hormonbooster?
Lebensmittel, die schlecht für Dein Herz sind, können auch schlecht für Dein Gehirn sein. Das bedeutet, dass Du gesättigte Fette und Transfette, die in frittierten und panierten Lebensmitteln sowie in Backwaren enthalten sind, vermeiden solltest.
Probiere diese anderen Tipps, die Dir bestimmt schon bekannt sind:
- Viel Gemüse und Obst, möglichst bunt.
- Vollkornprodukte bei Brot und Beilagen.
- Fettarme und eiweißreiche Molkereiprodukte.
- Eier, um genügend Eiweiß und Vitamin D zu erhalten,
- Hochwertige ungehärtete Öle, wie Olivenöl, Distelöl oder Rapsöl.
- Bei Fertigkuchen und Gebäck unbedingt auf Transfette achten und diese vermeiden
- Insgesamt weniger zuckerhaltige Produkte
- Weniger rotes Fleisch
- Alkohol möglichst meiden. Das führt sonst zu einem Super-Nebel im Kopf….
Bewegung
Bewegung stimuliert Dein Gehirn in Bereichen, die für das Gedächtnis und die Informationsverarbeitung wichtig sind. Jede Art der körperlichen Bewegung verbessert die Funktion des Hippocampus, eines Teils des Gehirns, der für verschiedene Arten von Gedächtnis zuständig ist.
Das American College of Sports Medicine empfiehlt Frauen vor, während und nach der Menopause, sich an fünf Tagen in der Woche mindestens 30 Minuten pro Tag moderat zu bewegen. Eine Kombination aus leichtem Ausdauertraining (aerobes Training) und moderatem Krafttraining hat die größte Wirkung.
Zu den aeroben Übungen gehören:
- Gehen
- Radfahren
- Aerobic-Kurse
- Tennis
- Treppen steigen
- Tanzen
Krafttraining:
- Gewichte (Kurzhanteln) heben
- Übungen mit einem Widerstandsband, z.B. Theraband
- Übungen, bei denen der Körper als Widerstand dient, wie Situps, Liegestütze und Kniebeugen
Gehirntraining
Wenn Du Dein Gehirn aktiv hältst, kannst Du den Auswirkungen des Alterns entgegenwirken. Du kennst vielleicht den Spruch „Use it or lose it“. Das gilt auch für Dein Gehirn und dieses Organ liebt Abwechslung!
Probiere diese Tipps aus, um Dein Gehirn gezielt zu trainieren:
- Kreuzworträtsel und Sudoku.
- Wortspiele.
- Online-Gehirnspiele und Quizze.
- Lese Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, eventuell auch in einer anderen Sprache.
- Lerne regelmäßig etwas Neues, zum Beispiel ein Musikinstrument oder eine neue Sprache.
- Verbringe Zeit mit Gesprächen und geselligem Beisammensein mit Familie oder Freunden. Am besten mit solchen Menschen, die wirklich etwas zu sagen haben.
- Raus aus der Routine: siehe Deine Stadt mit den Augen von Touristen und entdecke neue Wege
- Benutze Deine nicht-dominante Hand zum Zähneputzen
- Trage Deine Uhr mal am anderen Handgelenk.
Im Video gebe ich Dir auch einen Überblick, was Du vorbeugend tun kannst.
Mein Fazit
Forscher sind sich einig, dass „Gedächtnisverlust“ oder einfach nur Konzentrationsprobleme ab der Perimenopause häufig vorkommen und dass sich der Brain Fog nach der Menopause oft verzieht.
Je nachdem wie ernsthaft Deine Beschwerden sind, solltest Du zunächst Ernährung, Bewegung, Entspannung optimieren und Dein Gehirn gezielt trainieren. Das bringt in 75 % der Fälle schon schöne Erfolge, auch bei allen anderen Wechseljahresbeschwerden.
Sollte das nicht ausreichend helfen, dann ist Dein Frauenarzt der beste Ansprechpartner.
Behalte die Symptome im Auge, die Dich beunruhigen und besprich sie mit Deinem Arzt. Wenn die Wechseljahre sich dem Ende nähern, also wenn Du seit einiger Zeit keine Periode mehr hattest, wirst Du Dich erfahrungsgemäß besser fühlen.
Weitere spannende Inhalte zu diesem Thema Wechseljahre findest Du übrigens auch auf dem LEMONDAYS Youtube-Kanal.
Alles Liebe,
Deine Heike
Foto: Depositphotos