Sex, Drugs and Rock´n Roll – Was mich die Lustpille gelehrt hat

Sex, Drugs and Rock´n Roll – Was mich die Lustpille gelehrt hat

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„Würden sie mit der BILD-Zeitung über die weibliche Lust sprechen?“, „Können sie sich vorstellen, unseren Mitarbeitern zu erklären warum es um Sex geht, wenn unser Unternehmen in den Medien erscheint?“, „Wie beschreiben sie ihrer Mutter die Wirkung unseres Produkts?“

Diese Fragen wurden mir nicht etwa von Beate Uhse gestellt, sondern vom Chef der Unternehmenskommunikation eines Pharmakonzerns. Die Firma unternahm gerade den ernsthaften Versuch, eine Therapie für Frauen zu entwickeln, die einen erheblichen Leidensdruck empfinden, weil sie ihre sexuelle Lust verloren haben.

Ich saß in einem Vorstellungsgespräch. Ich war gerade 40 geworden und mein Interesse an der Position war rein professionell. Was mir zum Zeitpunkt dieses Gesprächs nicht klar war: Ich würde in diesem Job sehr viel mehr über mich selbst lernen als über die Feinheiten der Gesundheitskommunikation. Denn die Beschäftigung mit dem Thema weibliche Lust ging mir buchstäblich unter die Haut.

Wer – wie das Unternehmen, für das ich nun arbeitete – die Lust vermessen will, muss erst einmal Grundsätzliches klären. Zum Beispiel: Wie viel Lust ist normal? Die Antwort liegt auf der Hand. Das bestimmt jede Frau für sich selbst.

Aber als ich hörte, wie häufig andere Frauen Sex hatten, war ich überzeugt, selbst ein Lustproblem zu haben. Ich begann mich zu hinterfragen.

„Und je mehr sich Frauen in Gesprächen öffneten, umso mehr wurde mir klar, wie stark ich Lust und Sex als Thema aus meinem aktiven Beziehungswortschatz heraushielt.“

Auch im Gespräch mit meinen Freundinnen, mit denen ich sonst über alles redete, was die Paarbeziehung anging, war der Sex tabu. Wieso eigentlich? Meine Eltern waren in den wilden 68ern jung verheiratet. Aber bis sie unsere katholische Kleinstadt im Südwesten erreichten, waren die Wellen der Erregung aus Berlin bereits verebbt. Die pubertären Jahre verbrachte ich selbst auf einer von Ordensschwestern geleiteten Schule. Die Lust war auch hier thematisch ausgeklammert.

Ich hatte viel nachzuholen und dafür war der Diskurs mit Journalisten über die weibliche Lust im Allgemeinen und „zufriedenstellende sexuelle Ereignisse“ im Besonderen sehr hilfreich. Dass die Lustpille als „Pink Viagra“ durch den Blätterwald der Frauenzeitschriften rauschte, wurde ihr meiner Ansicht nach zwar nicht gerecht, die Medizin hatte hier aber auch mit der fragwürdigen Farbwahl (rosa) eine Steilvorlage geliefert.

Lustverlust – Warum wir manchmal nicht wollen können, selbst wenn wir wollen wollten

Ich habe von den Erkenntnissen der Sexualwissenschaft und der Weisheit der mutigen Frauen, die sich uns mitteilten, enorm profitiert. Heute weiß ich: Man muss nicht alles pathologisch sehen. Keine von uns hat permanent sexuelles Verlangen und dass die Lust mit zunehmendem Alter abnimmt, ist wissenschaftlich belegt.

Allerdings scheinen sehr viele Frauen Lustverlust zu empfinden und die Wechseljahre werden fast reflexhaft als Ursache ausgemacht. Aber ist das wirklich die ganze Wahrheit?

Ganz sicher nicht, denn die weibliche Lust wird nicht nur vom Hormonstatus, sondern altersunabhängig von körperlichen, psychischen und auch sozialen Faktoren bestimmt.

Wer im Geiste den Terminkalender für den nächsten Tag plant, dabei die Wohnung aufräumt und gleichzeitig grübelt, wie der Kredit für das neue Auto abgezahlt werden kann, wird kaum empfänglich sein für sexuelle Avancen, selbst wenn der Absender Johnny Depp heißt und nackt auf dem Wohnzimmertisch sitzt.

Lust entsteht bei uns eben im Kopf. Stress, Müdigkeit, bestimmte Medikamente und eine ganze Reihe chronischer Erkrankungen können die Lust auf sexuelle Annäherung schon im Keim ersticken. Wenn dann noch Geldsorgen, Beziehungsprobleme oder gar negative sexuelle Erfahrungen hinzukommen, gibt es bis zur Erfüllung viele Hürden zu überwinden.

Eine intensive und ehrliche Bestandsaufnahme ist lohnend und in manchen Fällen kann es sinnvoll sein, professionelle Unterstützung hinzuzuziehen. Sei es vom Gynäkologen, einem Therapeuten oder einem Life Coach. Als Wissenschaftlerin hätte es meiner Erwartung entsprochen, die Theorie nun in die Praxis umzusetzen und „für immer glücklich mit meinem Prinzen zusammenzuleben.“

Es kam anders: Der Prinz verließ die Bühne und ich war mit einem Mal alleine mit meinen unausgesprochenen Emotionen und meiner dahinsiechenden Lust. Retrospektiv betrachtet kam ich wohl zur gleichen Zeit in die Wechseljahre.

Es war ein Stein herausgefallen und ich hatte plötzlich das Bedürfnis, die ganze Mauer einzureißen.

Ich begann, meine Ziele deutlich zu formulieren und schrieb diese auf, um sie mir jeden Tag vor Augen zu führen. Sehr weit oben ist heute noch zu lesen:

„Ich möchte in einer Beziehung leben, in der Intimität ohne Scham möglich ist.“ Dr. Heike Specht

Heute bin ich glücklich, sagen zu können, dass das Universum gut zugehört hat, denn ich traf einen Mann, für den das Thema Sexualität in der Beziehung hohe Priorität hat und dem meine Lust für seinen Genuss ebenso wichtig ist wie seine eigene. Er ermutigt mich zur Selbsterforschung, damit ich mir klar werde darüber, was mir gut tut.

Anandi beschreibt in ihrem Beitrag für diese Blogparade sehr schön, wie frau sich selbst wiederentdecken kann und wie viele verschiedenen Wege zum sinnlichen Erleben führen können. Ich möchte daher auf einen anderen Aspekt fokussieren.

Die Wiederentdeckung des Bettgeflüsters

Sex und Lust, Alter und Tod haben etwas gemeinsam: Die kommunikative Funkstille. In manchen Schlafzimmern geht es ebenso still zu wie auf unseren Friedhöfen. Wir haben aus Mangel an Übung zu wenig sprachliche Kompetenz für Situationen, die Offenheit, Empathie und den verbalen Ausdruck der Liebe erfordern.

„Uns verschnürt die Angst davor, zu verletzen und verletzt zu werden, die Kehle.“

Währenddessen wird der Frust über unterlassene Zärtlichkeiten oder Routine im Bett immer größer. Dem können wir begegnen, indem wir gemeinsam mit dem Partner eine Liebesrhetorik entwickeln.

Wo lange Schweigen war, wird das nicht sofort funktionieren. Hier ist mein Vorschlag, mit der Schriftform zu beginnen.

Einige von Euch werden den Cartoon kennen, in dem ein Ehepaar vor dem Therapeuten sitzt, der sagt: „Ich hatte Euch gebeten einmal aufzuschreiben, was Euch in der Beziehung fehlt.“ Sie sitzt vor einem ganzen Stapel Papier. Er hält einen Zettel in der Hand auf dem steht „Ich will mehr Sex!“

Auch wenn das natürlich ein Klischee ist, so ist die Idee an sich gut, was man sich nicht direkt sagen kann als Brief zu formulieren. Der nächste Schritt wäre der Versuch, über das was da geschrieben steht zu sprechen. Möglichst ohne die Aussagen des anderen zu werten. Ein Schlüssel zur Lust ist offene Kommunikation.

Ich bin inzwischen eine Freundin des Bettgeflüsters. Ich möchte von meinem Partner wissen, welche Art der Berührung ihm jetzt gerade gut tut. Und ich möchte, während er mich erforscht, gefragt werden, was mir gefällt.

Sprecht über das was euch Freude bereitet und begrabt gemeinsam „im Besucherritz“ lange gepflegte Routinen, die euch langweilen oder Schmerzen bereiten. Gerne auch mit einem witzigen Ritual, denn auch das gehört zur neuen Liebesrhetorik, der Humor.

Lachen nimmt Stress aus einer Situation, und zwar gerade dann, wenn Unsicherheit herrscht. Ihr werdet sehen, auf welche Ideen man gemeinsam kommt und manchmal ist der Lachkrampf genauso befreiend wie der Orgasmus.

Apropos Orgasmus. Lust und Höhepunkt gehören nicht zwingend zusammen und ich habe den Verdacht, dass ein großes Beziehungs-Missverständnis darin besteht, zu denken, der Partner hätte nur Spaß am Liebesspiel, wenn es im Orgasmus endet. Wer sich entschlossen hat, sich noch einmal neu zu entdecken, wird es automatisch langsam angehen lassen.

Und, um nur ein Beispiel zu nennen, eine hingebungsvolle Gesichtsmassage kann sehr viel Nähe erzeugen und eine Verbindung vertiefen. Wie ihr gemeinsam mit Flaschengeistern duftendes Neuland entdecken könnt beschreibt der Beitrag von Evelyn sehr eindrucksvoll.

Mein persönliches Fazit

JA, die weiblichen Lust ab 40 kann sexy, wild und sinnlich sein – für die Frauen, die das für sich wollen. So wie ich, der Vintage-Hippie, der lächelnd durch das Wohnzimmer tanzt und sich für die Bewegungen vom Partner bewundern lässt. Das ist das Schöne an den Wechseljahren – mich endlich so anzunehmen wie ich bin.

Eure Heike

Alle Aussagen und Empfehlungen in diesem Artikel sind sorgfältig recherchiert und für gesunde Frauen gedacht. Unsere Beiträge bieten jedoch keinen Ersatz für kompetenten medizinischen Rat und es wird keine Haftung übernommen. Auf jeden Fall solltest Du Dich in deinen Wechseljahren regelmäßig mit deinem Gynäkologen besprechen, gegebenenfalls auch mit Endokrinologen und Heilpraktiker.

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