Im letzten Artikel haben wir uns mit der Frage beschäftigt, ob ein High Intensity Intervalltraining (HIIT) für uns Frauen in der Lebensmitte eine geeignete Form des Trainings ist. Ich habe Dir dazu ein Trainingsvideo für Einsteiger zur Verfügung gestellt, damit du diese Form des Trainings kennenlernen und auch ausprobieren kannst.
Heute geht es um eine weitere Trainingsmethode, von der du vielleicht schon gehört hast. Functional Training, also funktionelles Training. Ich werde nicht unnötig in die Tiefe gehen, aber klar den Sinn und Zweck des funktionellen Trainings – bezogen auf unsere Lebensphase – beleuchten.
Was steckt also hinter dem Begriff „Functional Training“ und wie kann es dich im Alltag dabei unterstützen, beweglich und „funktionstüchtig“ zu bleiben.
Definition Funktionelles Training
Funktionelles Training ist eine Bewegungsform, die unter Beteiligung mehrerer Muskelketten und Gelenke dazu beiträgt, alltags- oder sportartspezifische Bewegungen zu trainieren und zu verbessern. Im Breitensport wie auch in deinem Alltag sind das Bewegungen wie das Aufstehen, Heben, Tragen, Gehen oder Laufen und Strecken.
Funktionelles Training hat außerdem seinen Schwerpunkt auf der Tiefensensibilität (Propriozeption) deines Körpers in Bezug auf seine Lage, seine Haltung und seine Bewegung in einem Raum. Bestimmte Sensoren (Propriozeptoren), die an deinen Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken positioniert sind, senden Informationen über die Lage deines Körpers an dein Gehirn. Dein Gehirn gibt dann wiederum die Befehle an deine Muskeln, um bei Bedarf die Position zu verändern bzw. die richtige Bewegung auszuführen. So schließt sich der Kreis.
Dieser Prozess läuft täglich unzählige Male ab, völlig unbewusst. Ein Beispiel für eine Störung dieses Prozesses ist der „eingeschlafene Fuß“. Wie es sich anfühlt, mit einem Solchen laufen zu wollen, wissen wir wahrscheinlich alle…
Krafttraining oder funktionelles Training?
Wenn du an den Geräten in deinem Fitnessstudio trainierst, weißt du, dass an jedem Gerät in der Regel nur ein einzelner Muskel trainiert wird. Entweder Bizeps oder Trizeps (Arme), anschließend Bauch, dann Rücken, dann Beine usw. Du trainierst an den Geräten eindimensional, meist nur über ein Gelenk, denn die Bewegung wird durch die Maschine vorgegeben und geführt. Es gibt keinen „freien Raum“ für die Bewegung. Dein restlicher Körper sitzt oder liegt in der Maschine und ist nur wenig aktiv.
Funktionelles Training hingegen trainiert gleichzeitig mehrere Muskelsysteme, über mehrere Gelenke. Es ist mehrdimensional und findet im „freien Raum“ statt, was dazu führt, dass der Rest deines Körpers stabilisieren darf und dabei ebenfalls trainiert wird, vorzugsweise die tiefe Rumpfmuskulatur.
Das eine ist nicht besser oder schlechter als das andere, die Frage ist immer: Welche Ziele verfolgst du?
Werfen wir kurz einen Blick auf den Alltag
Unsere Alltagsbewegungen sind sehr komplex. Es arbeiten immer mehrere Muskeln bzw. Muskelketten zusammen, ohne dass wir das bewusst merken.
Ein Beispiel: Du möchtest eine Getränkekiste heben und in dein Auto stellen. Beim Heben ist das richtige Zusammenspiel unterschiedlicher Muskelgruppen von großer Bedeutung z. B. für die Sicherheit deines Rückens. Du brauchst kräftige Beinmuskeln, Kraft in den Armen und vor allem einen starken Rumpf.
„Hab ich doch“ denkst du jetzt, weil du regelmäßig dein Training im Studio absolvierst. Klar, die Kraft hast du wahrscheinlich. Worauf ich jedoch hinaus möchte ist das richtige Zusammenspiel der unterschiedlichen Muskeln im richtigen Moment. Der richtige Bewegungsablauf, um in diesem Beispiel deine Wirbelsäule optimal zu schützen.
Glaubst Du, dass dein Körper dieses optimale Zusammenspiel besser lernt, wenn er
- in der Maschine sitzend dreimal fünfzehn Wiederholungen lang deinen Beinstrecker trainiert oder
- Achtmal mit ganzem Körpereinsatz vom Boden in den Stand kommt?
Ist funktionelles Training auch für dich geeignet?
Wenn du deine Alltagsbewegungen oder deine Leistungsfähigkeit im Sport halten bzw. steigern möchtest, ja, denn
funktionelles Training
- verbessert deine Koordination,
- bietet eine gute Möglichkeit, nach Verletzungen muskuläre und motorische Fähigkeiten zurück zu erlangen,
- stärkt deinen Rumpf
- „ökonomisiert“ deine Bewegungsabläufe
Und… ein wesentlicher Aspekt für uns Frauen in der Lebensmitte:
Funktionelles Training verbessert dein Gleichgewicht!
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Es wäre falsch, das funktionelle Training in den Himmel zu heben, ohne dir auch die kleinen Ecken und Kanten mit auf den Weg zu geben. Bitte beachte:
- Durch das Training im „freien Raum“ fehlt die Stabilität, die du an den Geräten im Fitnessstudio hast. Es könnte daher sein, dass dir die Bewegungsabläufe anfangs schwerfallen oder du dich sehr wackelig fühlst. Das ist ganz natürlich und ein Zeichen dafür, dass du zukünftig kontinuierlich an deiner Balance arbeiten darfst. Mein Lieblingsspruch dazu: „Jedes Wackeln ist ein Danke“. Sei achtsam und übe am Anfang in der Nähe eines Gegenstandes, an dem du dich gegebenenfalls festhalten kannst.
- Du brauchst viel Konzentration bei den Übungsabläufen, weil sie komplexer sind als das Training an den Geräten.
- Die „Fehlerquote“ in der Ausführung der Übungen ist höher, weil die Übung nicht durch eine Maschine geführt wird. Folge daher unbedingt den Übungsanweisungen.
Ich bin dennoch ein großer Fan von funktionellem Training – gerade in unserer Lebensphase, in denen wir das Gleichgewicht ganz besonders trainieren sollten. Es vereint unterschiedliche Trainingsaspekte in einer Übung.
Koordination, Gleichgewicht, Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit – mit „Functional Training“ schlägst du gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe!
Und wenn du noch immer zweifelst, dann lass dir noch gesagt sein: Funktionelles Training
- ist platzsparend, weil du nur deinen eigenen Körperradius benötigst.
- braucht keine Geräte, sondern du kannst mit dem eigenen Körpergewicht (Bodyweight) trainieren.
- ist ein Ganzkörpertraining, weil die Belastung auf mehrere Muskelsysteme verteilt ist.
- stabilisiert deinen Körper und
- Vermindert somit das Verletzungsrisiko
Fazit
Wenn du bis hier gelesen hast, bedanke ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei dir. Warum? Weil der Fitnessdschungel mit seinen vielen Trainingsvarianten und Modeerscheinungen verwirrend sein kann. Es kommt schnell vor, dass der Überblick verloren geht und im schlimmsten Fall das Training aufgegeben oder gar nicht erst begonnen wird. Bitte nicht!
Wenn du regelmäßig im Fitnessstudio trainierst, mach unbedingt weiter! Probiere funktionelles Training gerne mal aus, gönne dir Abwechslung, dadurch Spaß, und spüre den Unterschied. Die Gelegenheit, komplexe Bewegungsabläufe zu üben, um so zum einen unser sensomotorisches System zu schulen und gleichzeitig unsere Muskeln zu kräftigen, solltest du dir nicht entgehen lassen.
Schlussendlich ist es egal, für welche Form der Bewegung du dich entscheidest. Wichtig ist, DASS du dich bewegst und deinen Zielen immer auch ein Stück näher kommst.
Bleib bewegt!
Deine Tine
PS: Hier kannst Du meine vier Lieblingsübungen direkt mitmachen:
Tine Möller arbeitet seit fast dreißig Jahren als Trainerin in der Fitnessbranche. Seit fünf Jahren hat sie sich als Regionalpartnerin von Laufmamalauf auf den Outdoorsport mit Müttern nach Schwangerschaft und Entbindung spezialisiert. Als Beckenbodentrainerin und Ernährungscoach, aber auch aus eigener Erfahrung, weiß sie, wie sich der Körper in den Wechseljahren verändert. Daher ist es ihr ein wichtiges Anliegen, Frauen bereits zu Beginn dieser Lebensphase in den Bereichen Bewegung und Ernährung zu unterstützen und zu begleiten. tinemoeller.de
Tine Möller arbeitet seit fast dreißig Jahren als Trainerin in der Fitnessbranche. Seit fünf Jahren hat sie sich als Regionalpartnerin von Laufmamalauf auf den Outdoorsport mit Müttern nach Schwangerschaft und Entbindung spezialisiert. Als Beckenbodentrainerin und Ernährungscoach, aber auch aus eigener Erfahrung, weiß sie, wie sich der Körper in den Wechseljahren verändert. Daher ist es ihr ein wichtiges Anliegen, Frauen bereits zu Beginn dieser Lebensphase in den Bereichen Bewegung und Ernährung zu unterstützen und zu begleiten. tinemoeller.de