Blogparade zum Wohlfühlgewicht
Von einer Naturwissenschaftlerin werden Fakten erwartet, also: Ich bin 51 Jahre alt, seit 5 Jahren im Wechsel begriffen und habe seither im Schnitt jedes Jahr ein Kilo zugelegt. Nicht gerade die perfekte Bewerbung für einen Artikel zum Thema Wohlfühlgewicht, oder? Ich bin gespannt, ob Euch meine Erfahrungen bekannt vorkommen.
Dies ist ein Beitrag zur Blogparade BYE, BYE TRAUMFIGUR? WIE GEHT DAS MIT DEM WOHLFÜHLGEWICHT AB 40 ODER 50?
Alle weiteren wundervollen Artikel, Podcasts und Videos dieser Parade findest Du in diesem Artikel zusammengefasst.
Die Stimme der Vernunft
Ich stehe im Supermarkt vor dem Süßwarenregal und überlege, welche meiner Lieblingssorten es heute sein darf. Ich habe gerade einen großen Auftrag abgegeben und bin bereit, mich zu belohnen.
„Nebenan ist das Regal mit Obst. Du magst doch Nektarinen. Die sind auch süß“, säuselt mir Adalbert ins Ohr.
„Erstens haben die um diese Jahreszeit eine ganz schlechte CO2-Bilanz und zweitens kann man sie nicht mit Kaffee über der Zunge zum Schmelzen bringen“, antworte ich und greife nach der Trauben-Nuss-Vollmilch-Variante. Adalbert verdreht genervt die Augen.
Später gehe ich doch noch am Gemüseregal vorbei und kaufe einen Korb Buntes, weil ich das Glück habe mit einem Partner zu leben, der nicht nur gerne sondern auch besonders gut kocht. Ihn entspannt das. Mich auch, denn ich muss nicht schon beim Kochen die Kalorien zusammenzählen. Die Gemüsepfanne ist jetzt hübsch auf den Tellern angerichtet. „Was möchtest du trinken?“, fragt der Liebste.
Adalbert rudert mit dem Armen, um auf sich aufmerksam zu machen: „Wasser, in Deinem Zustand musst du viel Wasser trinken!“
„Weißwein“, sage ich und Adalbert verlässt mit seinem du-wirst-schon-sehen Gesichtsausdruck den Raum. Er will damit andeuten, dass sich meine Exzesse (O-Ton Adalbert) sicher wieder an der Waage ausdrücken. Die Beiden haben sich schon vor langem verbrüdert.
Traumfigurenträume
„Viele Frauen in Deinem Alter haben noch eine sehr gute Figur“, beginnt Adalbert die morgendliche Diskussion vor dem Spiegel. Die Waage, die alte Petze, nickt zustimmend.
„An wen denkst du?“, frage ich nur mäßig interessiert.
„Demi Moore zum Beispiel.“ Mir fällt fast die Zahnbürste aus dem Gesicht. „Demi Moore? Das ist jetzt nicht dein Ernst! Die Frau beschäftigt wahrscheinlich einen ganzen Stab an Personal Trainern. Außerdem hat ihr das Aussehen wenig genutzt. Ashton Kutscher hat trotzdem die Biege gemacht!“ Adalbert zieht eine Schnute, die Waage sperre ich in den Badezimmerschrank.
Diäten waren noch nie meine Lösung
Mein Partner und ich ziehen demnächst um. Das gibt mir Gelegenheit, mich einmal mehr von ein paar Altlasten aus meinem Kleiderschrank zu trennen. Darin hängen zum Beispiel noch diverse bodenlange Schlauchkleider, die ich vor den Wechseljahren gerne getragen habe.
Adalbert ermuntert mich hinterhältig, das Rote nochmal anzuprobieren, bevor ich es in den Kleidersack verbanne. Nach 10 Minuten schweißtreibenden Ziehens und Zwängens tauche ich tatsächlich am oberen Ende wieder auf. Stretch macht´s möglich. Aber was sich da unter dem Stoff abzeichnet, ist einfach nur peinlich. Die kleinen Polster unter den Schultern und auf den Hüften bin ich bereit zu ignorieren. Aber der geschwollene Unterleib, Modell Schwangerschaft erstes Trimester, geht gar nicht.
Jetzt hat mich Adalbert da wo er mich haben will: „Du könntest doch mal wieder eine Diät machen. Mit nur 4 Kilo weniger sieht das wieder super aus.“
„Ja sicher“, sage ich. „Und dann wiege ich nach der Diät drei Kilo mehr als jetzt. Ping-Pong-Effekt, das hatten wir schon. Du erinnerst Dich sicher. Das war, als Du mir nach dem Kauf des Etui-Kleides zu Fit mit Gurken geraten hast.“ Das Etui-Kleid habe ich zur Gartenparty der Agentur-Kollegin trotzdem getragen, allerdings mit einem Mieder das teurer war als das Kleid und mir den ganzen Abend so in den Magen drückte, dass ich weder essen noch richtig sitzen konnte.
Mit einer schwungvollen Bewegung landen alle Kleider der vergangenen Ära im Sack.
Sport oder Mord?
Adalbert befand natürlich auch, dass ich mich zu wenig bewege: „Wie wäre es mit Joggen? Das kannst Du auch auf einem Business Trip machen, denn da brauchst Du fast keine Hilfsmittel“, klugscheißerte er. Manche meiner Freunde schienen ihn zu bestätigen.
Fast entrückt berichteten sie über die meditative Phase, in die sie ab Kilometer Zehn eintreten. Ich habe es – wie so viele andere Sportarten davor – ausprobiert und damit einen stets wiederkehrenden Leidenszyklus ausgelöst. Die erste halbe Stunde habe ich mich für die Entscheidung heute zu laufen gehasst, dann wenige Kilometer kampfbereit durchgehalten und bin schließlich die letzte Distanz mit Knieproblemen nach Hause geschlichen.
Unnötig zu erwähnen, dass ich nicht dabei geblieben bin. Die Joggingschuhe habe ich noch. Wenn ich sie zur Gartenarbeit trage lächelt Adalbert gequält.
So geht das mit dem Wohlfühlgefühl
Wann stellt sich Wohlfühlgefühl ein? Ganz gleich, ob es um das Gewicht geht oder um etwas anderes in unserem Leben.
Wohl fühlen wir uns, wenn wir etwas tun, das uns Spaß macht, das uns erfüllt, glücklich macht oder bei dem wir die Zeit vergessen.
Kurzum, wenn wir lieben oder geliebt werden, bereitet uns das Wohlbehagen. Gerade in den Wechseljahren, die so turbulent zugehen mit Stimmungsschwankungen, Schlaflosigkeit, Hitzewallungen und – ja, auch Gewichtszunahme – ist es wichtig, dass wir Lösungen für uns finden, die uns gut tun.
Hier also meine persönlichen fünf Wohlfühl-Prinzipien zum Thema Gewicht und veränderte Körperformen:
Essenszeiten sind Momente des Genusses und der Achtsamkeit
Ich esse, worauf ich Lust habe, versuche dabei aber sehr bewusst bei der Speise zu sein. Das heißt, ich nehme mir Zeit und finde einen Raum, der zu meiner Stimmung passt. Manchmal höre ich Musik. Ich versuche es so einzurichten, dass mich möglichst wenig ablenkt. Ich kaue langsam. All das steigert den Genuss. Ich höre auf meinen Magen und beende das Essen, wenn ich satt bin. Adalbert zwinkert mir dann anerkennend zu.
Sport darf anstrengend sein, aber auch Spaß machen
Für mich wendete sich das Blatt, als ich Yoga für mich entdeckte. Montags döst Adalbert seither in der Hängematte, weil Heike brav Sport treibt.
Meine Lehrerin Patrizia versteht es, uns als Gruppe zu motivieren und findet den richtigen Mix aus Anspannung und Entspannung, so dass ich tatsächlich Lust habe, mich zu bewegen. Für zu Hause nehme ich mir nicht zu viel vor, damit ich dabei bleibe. Mehrmals pro Woche integriere ich – in nur 10 Minuten – die Yogaübungen aus dem Programm, die mir besonders gut tun, in meine Morgenroutine.
Zeit für einen Stilwechsel
Die Wechseljahre sind für uns Rebellinnen mit sehr vielen Wechseln verbunden: Die Kinder sind aus dem Haus. Wir hinterfragen unserer Rolle in Partnerschaft, Job und manchmal auch Gesellschaft. Da ist es doch nur konsequent, wenn wir auch den Kleiderstil wechseln.
Ich passe nicht mehr in Schlauchkleider. Dann werde ich eben Hippie! Ein Kleiderschrank-Neustart war schon lange mein Traum. Als Einkaufs-Bummel mit der besten Freundin gestaltet ist er außerdem lustig. Von ihr kann ich ehrliche Rückmeldung annehmen, so dass der neue Look authentisch ist.
Damit das Konto nicht überzogen wird, habe ich Second-Hand Läden und Flohmärkte für mich entdeckt. Kleidertausch-Partys sind eine weitere, für alle Seiten bereichernde Option. Ein „Nostalgie-Stückchen“ habe ich übrigens behalten. Nur für den Fall, dass ich doch noch mal hineinpasse ;o)
Ich bin einzig, nicht unbedingt artig und das ist ok so
Vergleiche werden meist zur Falle – ob nun mit der eigenen Figur vor Jahren, oder mit einem anderen Gegenüber – weil wir ein vermeintliches Modell der Perfektion als Vorbild wählen, an dem die Realität nur scheitern kann. Mich motiviert das selten, es erzeugt eher Frust.
Ich übe mich daher darin, mich auf mich selbst zu konzentrieren. Was mir dabei hilft sind Entspannungstechniken wie Selbsthypnose und Meditation. Als Rituale am Morgen und/oder Abend haben diese Übungen einen positiven Effekt auf meine Stimmungslage und beeinflussen auch mein Schlafverhalten nachhaltig.
Ich liebe meine Vorzüge
Ja, wir wollen auch als Rebellinnen schön, sexy und begehrenswert sein und unsere westliche Kultur suggeriert leider, dass dies untrennbar mit Schlankheit verbunden ist.
Aber wenn wir ehrlich sind, hat uns der Partner nicht auserwählt, weil die Waage das richtige Gewicht angezeigt hat, sondern weil wir vielleicht einen hinreißenden Humor haben, geistreich, kommunikativ, intelligent, unternehmungslustig oder eben einzigartig liebenswert sind.
Ich plädiere daher für Eigenliebe! Untersucht Euren Körper auf das was ihn in Euren Augen schön und begehrenswert macht. Ich habe mich für meine Brüste entschieden! Feiert diese Schönheit. Rituale zur besonderen Pflege dieser Körperteile geben uns ein gutes Gefühl und lassen uns gestärkt in die Welt hinausgehen, wobei die neuen Pölsterchen ruhig fröhlich mitschwingen dürfen.
Mit den besten Wünschen für ein wohliges Gefühl im eigenen Gewicht,
Heike und Adalbert
PS: Einen verdammt ehrlichen Artikel mit dem Titel „Bye, bye Traumfigur“ hat Yogalehrerin & Ayurvedacoach Sunita Ehlers im Rahmen dieser Blogparade geschrieben. Klare Leseempfehlung!
8 Gedanken zu „Wohlfühlgewicht? Ist Gewicht, das sich bei mir wohlfühlt!“
Liebe Heike, ich liebe deine Headline und werde die Botschaft in die Welt tragen. Sich wohlzufühlen, gesund zu bleiben und das durch das Leben zu tanzen, schöne Erlebnisse mit Freunden zu teilen, gefallen mir auch viel besser als Kalorien zu zählen;O))
Herzlichen Dank für den inspirierenden Beitrag und weiterhin viel Spaß auf Reisen.
Ein wundervoller Beitrag, der mich zum schmunzeln bring. Jede Frau hat ihre Schätze, diese zu erkennen und zu lieben, das ist Lebensqualität.
Herrlich, liebe Heike ♥
Ich bin auch einzig und nicht unbedingt artig und das fühlt sich herrlich frei an. Spannend finde ich es allerdings, dass meine Töchter manchmal in diesem speziellen Ton „Mama“ sagen, wenn ich mal wieder bin wie ich bin. Kennst Du so etwas auch?
Deine Zeilen habe ich sehr gerne gelesen und geschmunzelt habe ich über „Adalbert“. Die Facette, die Du Adalbert nennst, ist bei mir das Fräulein Rottenmaier. Erinnerst Du Dich an die freudlose Dame aus der Fernsehserie „Heidi“. Meinem Fräulein Rottenmaier habe ich ein Umstyling verpasst, als sie mir bewusst wurde, nun fühlt sie sich viel wohler und nörgelt nicht mehr so viel rum.
Danke, liebe Heike, dass Du bist wie Du bist. Dein Humor wirkt auf mich wie fröhlich schillernde Seifenblasen. Die machen auch gute Laune 🙂
Alles Liebe wünsche ich Dir!
Von Herzen
Martina Eyth
Liebe Heike,
ich habe mich herrlichst amüsiert, Deine Schreibe ist einfach der Wahnsinn! Wunderbar auch die Kommentare zu lesen, jeder hat seinen eigenen kleinen Adalbert… Bei mir heißt er Herr Dr. Klöbner – man erinnere sich an die zwei spaßbefreiten Herren im Bad von Loriot. Herr Dr. Klöbner kennt sich mit sehr vielem sehr viel besser aus als ich und ist a rechts Gscheithaferl, wie wir in Bayern sagen. Meist ist er aber zufrieden, wenn ich mich artig für seinen guten Rat bedanke – und dann trotzdem was anderes ausprobiere *g*
So, ich überlege jetzt, welchem geliebten Körperteil ich ab sofort mehr Achtung und Pflege zukommen lassen will. Danke für diesen grandiosen Tipp.
Herzlichst,
Deine Lotta Frei
Swingerclub Expertin
Herrlich! Sooo wunderbar geschrieben!
Adalbert kann ich mir absolut lebhaft bildlich vorstellen …
Aaaber: Schokolade ist eine legitime Waffe im Alltagswahnsinn, so!
Danke für diesen herzerfrischenden Beitrag, danke für den Aufruf zur Eigenliebe!
Anja
Liebe Heike.
ich dachte mir beim Lesen, dein Adalbert MUSS (mindestens) einen Zwillingsbruder haben! Einer davon versucht es immer wieder, sich bei mir einzunisten.
Aber da kann er sich die Zähnchen ausbeissen. Keine Ahnung, wo er zur Zeit ist, ist mir auch egal. Bei mir gibts keine Untermieter seiner Art mehr.
DANKE für deinen supersupertollen Artikel.
Fröhlich hüftschwingende Grüße sendet Dir
Silke
Danke fur diesen weiteren herrlichen Artikel meine Liebe – meine Lachmuskeln haben jetzt jedenfalls ihr Training hinter sich! Freue mich auf den nächsten Blog von Dir!
Liebe Heike, ich bin sicher, Adalbert hat eine weit verbreitete Familie 🙂 Ganz klasse, wie Du ihm konterst, und Deine Definition von „Wohlfühlgewicht“ ist perfekt!
Liebe Grüße, Moni