Ernährungsstudien - was kann ich denn noch glauben

Ernährungsstudien – was kann ich denn noch glauben?

Ernährungsstudien sind eine gute Quelle für Informationen. Oder? Wie kommt es dann, dass viele Ergebnisse so widersprüchlich sind? Wie kann ich als Verbraucherin da überhaupt durchsteigen? Das erfährst Du im heutigen Beitrag.
Inhaltsverzeichnis

Spätestens in den Wechseljahren fangen viele Frauen an, sich für gesunde Ernährung zu interessieren. Der Körper zeigt halt erste Verschleißerscheinungen und verändert sich auch sonst. Stichwort: Bauchfett.

Da kommen Ernährungsstudien gerade recht. Meistens werden ja kurze Zusammenfassungen in den Medien wiedergegeben und viele Frauen springen darauf an. Gerade dann, wenn eine reißerische Überschrift eine „Sensation“ ankündigt.

Aber wie kommt es dann, dass Ernährungsstudien oft so verwirrend sind? Studie A kommt genau zum entgegengesetzten Ergebnis, wie Studie B.

Wenn Du konkret fragst: „Ist Rotwein gesund?“, bekommst Du die Antworten: ja, vielleicht, nein.

Wenn Du versuchen würdest, Dich nur von solchen Lebensmitteln zu ernähren, die eindeutig in vielen Ernährungsstudien als „gesund“ bezeichnet wurden – würdest Du eher früher als später verhungern.

Ein gutes Beispiel sind Himbeeren: eine chinesische Studie fand, dass Himbeeren einen günstigen Einfluss auf den Blutdruck haben können. Eine finnische Ernährungsstudie konnte das nicht bestätigen.

Oder nimm Betacarotin, eine Vorstufe von Vitamin A: es soll Krebs verhindern, weil es antioxidativ wirkt. Aber hohe Dosen sind Pro-Oxidantien und können bestimmte Krebsarten sogar fördern.

Keine Sorge, im Text löse ich auf und erkläre, warum viele dieser Ernährungsstudien Ergebnisse liefern, die sich auf den ersten Blick widersprechen. Die sich aber bei näherem Hinschauen gegenseitig ergänzen.

Warum sind Ernährungsstudien oft widersprüchlich?

Studiendesign

Hier gibt es unendlich viele Möglichkeiten, wie Forscher an ein Problem herangehen. Es ist ein Unterschied, ob ich nur einen Bestandteil eines Nahrungsmittels untersuche. Oder ob ich das komplette Nahrungsmittel einsetze. So war es bei den Himbeerstudien“: die chinesischen Forscher untersuchten Himbeerextrakt, die Finnen nutzen frische Himbeeren. Logisch, dass man diese Ernährungsstudien dann kaum vergleichen kann.

Probandengruppen

Werden die Versuche für die Ernährungsstudien an Menschen oder Tieren durchgeführt?

Beides ist legitim und gerade in frühen Stadien einer Untersuchung, wenn es noch viele Unbekannte gibt, ist es leichter, Tiere zu studieren. Bei Tieren kann man alle zu untersuchenden Variablen kontrollieren.

Auch hier ist die Himbeerstudie ein gutes Beispiel: die Chinesen untersuchten den Extrakt an Ratten, die speziell dafür gezüchtet waren und Bluthochdruck hatten. Die Finnen haben die frischen Himbeeren an Menschen beobachtet. Ein weiteres Beispiel hatte ich im Interview mit Gela Löhr für den Für Sie Podcast gegeben: an Ratten konnte man gut untersuchen, ob Zucker oder Kokain einen höheren Suchtfaktor haben (bei den Ratten war es übrigens Zucker). Wenn man das am Menschen testen würde, bekäme man ziemlichen Ärger.

Individuelle Faktoren

Faktoren wie Alter, Geschlecht, genetische Varianzen, Lebensstil: wenn ich eine Untersuchung zum Thema „Hitzewallungen“ machen wollte, würde ich mir kaum eine Gruppe Männer, egal ob jung oder alt, als Probanden aussuchen.

Auch wenn ich bestimmte Stoffwechselerkrankungen studieren will, frage ich ganz genau nach, ob bestimmte Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 in der Familie gehäuft vorkommen. Das kann dann wirklich spannend sein, herauszufinden, ob die Gene oder eine ungünstige Ernährung die Krankheit stärker beeinflussen.

Datensammlung, Verarbeitung und Interpretation

Dies ist eigentlich ein sehr umfangreiches Thema, das von den Forschern genaustens dokumentiert werden muss. Einschließlich einer Einschätzung, wo denn potenzielle Schwächen liegen, die eventuell zu Fehlern in der Interpretation führen könnten.

Stichwort Datenbereinigung: bei Studien ist vieles erlaubt. Die Daten dürfen und sollen sogar bereinigt werden. Wenn man Extremwerte hat, die das Ergebnis verzerren könnten, oder wenn Daten nicht schlüssig sind oder auf Fehler hinweisen, dürfen diese Datensätze aus der Analyse herausgenommen werden. Das musste aber deutlich dokumentiert und begründet sein

Die Art und Weise, wie die Daten ermittelt werden: wenn ich Probanden im Labor habe und ganz genau messen kann, was gegessen wird, sind die Daten recht präzise. Aber gerade beim Thema Ernährungsstudien werden ja oft Langzeiteffekte untersucht. In der Regel füllen die Teilnehmer der Studie dann Fragebögen aus oder werden in Interviews befragt. Beides sind störanfällige Methoden.

Bei Selbstbeobachtung, wenn z.B. ein Ernährungsprotokoll geführt werden muss, werden oft Nahrungsmittel vergessen. Meistens unbewusst, manchmal aber auch absichtlich, wenn man sich nicht an die Vorgaben gehalten hat. Beim Interviewer, der einem gegenüber sitzt, ist es noch extremer. Je nachdem, wie sympathisch oder unsympathisch diese Person ist, kann dies durchaus die Beantwortung der Fragen beeinflussen.

Wie erkenne ich denn seriöse Ernährungsstudien?

Es gibt einige Hinweise, ob eine Studie seriös ist oder nicht

Größere Stichproben

Die Gruppe der Menschen (oder Tiere) sollte gerade in Ernährungsstudien ausreichen groß sein. Denn nur so kann ich Ergebnisse erhalten, die auch auf viele Menschen übertragbar sind. In meinem Studium war das klassische Beispiel die eigene Oma: wenn die mit täglich 1 Packung Zigaretten 100 Jahre alt wurde, kann ich dann daraus folgern, dass Zigaretten gesund sind? Natürlich nicht und deswegen findet man diese Fallstudien in den Ernährungswissenschaften selten. Obwohl sie in anderen Gebieten legitim sind, solange das für den Leser klar erkennbar ist.

Das gewählte Design

Der Goldstandard sind randomisierte kontrollierte Doppelblindstudien. Das heißt, die Probanden werden nach dem Zufallsprinzip in Gruppen zugeordnet und die zu untersuchenden Variablen zugeordnet. Also Gruppe A nimmt Vitamin C Kapseln, Gruppe B Vitamin D und Gruppe C bekommt ein Placebo. Weder die Teilnehmer noch die Wissenschaftler wissen, welche Gruppe was bekommt. „Entblindet“ wird erst ganz am Schluss, wenn die Abschlussergebnisse vorliegen. Solche Studien kommen aber bei Ernährungsthemen auch nicht in Frage, da ja die Teilnehmer in der Regel wissen, was sie essen.

Befragung und Interview werden gerne genutzt und es werden Maßnahmen ergriffen, um hier Widersprüche aufzudecken. Es besteht natürlich immer noch die Gefahr, dass Fragen falsch interpretiert werden.

Auch Beobachtungsstudien sind Standard. Es ist logisch, dass gerade sehr langfristige Beobachtungsstudien schwierig durchzuführen sind und einen hohen administrativen Aufwand haben. Menschen sterben, ziehen um oder stehen aus sonstigen Gründen für die Studie nicht mehr zur Verfügung. Alles muss sorgfältig dokumentiert werden. Ein bekanntes Beispiel hier ist die Framingham-Herz-Studie, die bereits im Jahre 1948 begann und systematisch Ursachen und Risiken der koronaren Herzkrankheit untersucht.

Je aufwendiger und vielseitiger das Studiendesign ist, desto teurer ist die Studie. Aber meistens auch aussagekräftiger.

Finanzierungsquellen

Dies ist ein nicht zu unterschätzender Faktor: wer gibt die Studie in Auftrag und wer bezahlt sie? Ja, Studien können sehr teuer sein.

Ein Problem der Ernährungswissenschaft ist, dass Lebensmittel ein großes Geschäft sind und die Lebensmittelkonzerne Einfluss darauf nehmen, welche Fragen gestellt und welche Antworten gegeben werden – oder auch nicht.

Noch extremer ist es bei Nahrungsergänzungsmitteln oder Diätshakes. Hier wird sehr oft mit Studien geworben, die nicht nur von den Unternehmen finanziert wurden, sondern auch durchgeführt. In der Werbung werden dann Models im weißen Arztkittel genutzt, um die ganze Geschichte für den Laien seriös wirken zu lassen. Es gibt zahlreiche Untersuchungen solcher Studien und die in Eigenregie durchgeführten Studien sind oft unseriös, zweifelhaft, und manchmal sogar gefährlich.

Solche Vorgehensweisen sind selbst für Fachleute nicht immer durchschaubar. Daher ist eine meiner ersten Fragen: wer ist Sponsor der Studie? Wenn dann ein Repräsentant der Zuckerindustrie verkündet, dass die von seiner Firma durchgeführte Studie belegt, dass Zucker gesund ist und nicht dick macht (ja, ist tatsächlich passiert), dann denke ich mir meinen Teil.

Wie eine echte Fake Studie (ja, das ist ein Widerspruch in sich) aussehen kann, so dass sogar die Medien drauf hereingefallen sind, habe ich ausführlich in einem Blogbeitrag beschrieben: Schokolade macht schlank

Was muss ich als Verbraucher beachten?

Persönliche Faktoren beachten

Faktoren wie Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand müssen berücksichtigt werden.

Um herauszufinden, ob Ergebnisse einer Studie auf Dich übertragbar sind, müssen persönlichen Faktoren wie Alter und Gesundheitszustand berücksichtigt werden.

Meine persönliche Herausforderung, seit ich schwerpunktmäßig mit Frauen in den Wechseljahren arbeite: Studien finden, die an Frauen in dieser Lebensphase sind, durchgeführt wurden. Überhaupt an Frauen…schwierig, hormonelle Schwankungen, bis hin zur Schwangerschaft, was sie als Studienprobanden kompliziert macht. Und Wechseljahre sind nochmal eine ganz andere Herausforderung: jede Frau ist anders und da sind Ratten doch unkomplizierter (Achtung, das war Ironie).

Mehrerer Ernährungsstudien ansehen

Du solltest unbedingt mehrere Studien zum gleichen Thema anschauen: hier vor allem die Details vergleichen. Manchmal sind die Studien gar nicht so widersprüchlich, sondern ergänzen sich gegenseitig.

Beispiel Intervallfasten: das kann die Schlafqualität verbessern. Aber auch: Intervallfasten kann die Schlafphasen empfindlich stören. In einem Fall wurden Menschen untersucht, die von Hause aus stressresistent sind, echte Adrenalinjunkies. Die schliefen besser. Sensible Menschen mit hohem Cortisolspiegel (Wechseljahre!) reagieren empfindlicher und können (müssen aber nicht) schlechter schlafen.  

Beispiel Betacarotin: wenn man sich Details anschaut, sind Widersprüche gar nicht mal so widersprüchlich, sondern ergänzen sich gegenseitig: Betacarotine (Vorstufe von Vitamin A) ist ein Antioxidans und soll Krebs verhindern. Aber hohe Dosen Betacarotin sind Pro-Oxidantien, und können unter bestimmten Voraussetzungen die Entstehung von Krebs fördern. Hier ist es also die Dosis, die logischerweise zu unterschiedlichen Resultaten führt.

Wer hat die Studie bezahlt?

Sind denn die Forscher bestechlich? Kaum, seriöse Forscher würden kaum Studienergebnisse manipulieren. Aber wenn ein Nahrungsmittelhersteller eine Studie in Auftrag gibt, und die Ergebnisse liefern nicht das, was man sich erhofft – wird die Studie einfach nicht veröffentlicht.

Peer-Review – was sagen andere Experten?

Peer Review bedeutet, dass die Studie von Fachleuten auf dem Gebiet begutachtet wurden. Das ist ein kritischer, aber sehr hilfreicher Prozess. Die Kollegen können hilfreiche Hinweise geben, wo eventuell noch nachgearbeitet werden muss. Ich habe selbst jahrelang als Begutachterin gearbeitet und habe mir immer die Mühe gemacht, zu erklären, Fragen zu stellen und auch anzumerken, wenn das Thema nicht exakt mein Fachgebiet war.

Wo wird die Studie veröffentlicht?

Seriöse Studien werden in seriösen wissenschaftlichen Fachmagazinen veröffentlicht. Es gibt auch sogenannte Predatory Journals, die so ziemlich alles veröffentlichen, solange der Wissenschaftler dafür zahlt. Ein Peer-Review findet hier nicht statt. Welche Journals oder Fachmagazine das sind, kann leicht gegoogelt werden.

Verlasse Dich niemals auf nur eine Studie

Wenn ein Thema für Dich interessant und wichtig ist, solltest Du Dir eine Meinung auf Basis mehrerer Quellen machen.

So funktioniert Wissenschaft nämlich: jede seriöse Studie bildet einen winzigen Teil eines Puzzles und erst wenn genügend Teile zusammen kommen, lässt sich das ganze Bild erahnen. Selbst wenn noch Puzzleteile fehlen, so wird es immer klarer, welche „Flecken“ noch eine nähere Untersuchung brauchen.

Wie war das denn jetzt mit dem Rotwein?

Ja, es gibt Studien, die belegen, dass ein Bestandteil der Rotweins (Resveratrol) tatsächlich einen positiven Einfluss bei Menschen mit Herzvorerkrankungen haben.

Aber das gilt, laut einer anderen Studie, nicht für Rotwein, der in seiner normalen Form getrunken wird. Ganz einfach, weil dabei das Resveratrol nicht hoch genug dosiert ist. Aber größere Mengen Rotwein heißt auch wieder, mehr Alkohol. Was dann wieder schädlich wäre…

Bei dieser Diskussion würde ich die Studien erst einmal zur Seite legen und ein gutes Glas Wein mit lieben Menschen genießen. Die Dosis macht das Gift und bei dem gelegentlichen Glas Wein spielt der Alkohol nicht die erste Geige. Und mal ehrlich: wer trinkt schon Wein, um sein Herz zu schützen? Wenn ich mir dann noch ein Stück dunkle Schokolade gönne, die auch Resveratrol enthält, habe ich wenigstens ein gutes Gewissen.

Mein Fazit

Wenn eine Studie Dir erzählt, dass XYZ „gesund für Dich“ ist, solltest Du Dich zuerst fragen: was heißt denn hier „gesund“? Was, wenn ich Vorerkrankungen habe, werde ich dann geheilt? Und woher will die Studie mich so genau kennen?

Ja, es ist verführerisch, sich auf Ernährungsstudien zu stürzen. Denn Ernährung ist ein wichtiger Bestandteil des Lebens und ist größtenteils unter unserer Kontrolle. Wir können uns immer wieder neu entscheiden, was wir essen wollen und was nicht. Und eine für uns optimale Ernährung kann so viel zu unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden beitragen, dass jede Frau sich etwas Wissen aneignen sollte.

Ein guter Anfang, um sich Wissen anzueignen, ist mein Online-Kurs: „Gesunde Ernährung – knackig, pragmatisch, alltagstauglich“, den ich speziell für Frauen in den Wechseljahren erstellt habe. Mehr darüber auf ELOPAGE. Oder klicke auf das Banner unten.

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Zusammenfassend muss man bei Ernährungsstudien immer kritisch bleiben und verschiedene Quellen berücksichtigen, um seriöse Informationen zu erhalten. Und was man immer tun sollte: kritisch hinterfragen.

Meine Liebe, ich hoffe, das Thema hilft Dir ein wenig, wenn Du bei Studien ratlos bist.

Ja, Wissenschaft scheint ein trockenes Fachgebiet zu sein, kann aber auch von der humorvollen Seite gesehen werden.

Titelfoto: Canva

Alle Aussagen und Empfehlungen in diesem Artikel sind sorgfältig recherchiert und für gesunde Frauen gedacht. Unsere Beiträge bieten jedoch keinen Ersatz für kompetenten medizinischen Rat und es wird keine Haftung übernommen. Auf jeden Fall solltest Du Dich in deinen Wechseljahren regelmäßig mit deinem Gynäkologen besprechen, gegebenenfalls auch mit Endokrinologen und Heilpraktiker.

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