Achtung, Darm hört mit. Schon Emeran Mayer bezeichnete den Darm in seinem gleichnamigen Buch als „Das zweite Gehirn“.
Der Darm ist der Buddy vom Gehirn – oder auch umgekehrt, denn evolutionsbiologisch ist das Gehirn aus dem Darm entstanden.
So erklären sich auch die vielen Gemeinsamkeiten, wie z.B. ein Nervensystem und gleiche Botenstoffe.
Unser vegetatives Nervensystem, das autonome, besteht aus dem Sympathikus (Aktivität) und dem Parasympathikus (Regeneration), die unseren Stoffwechsel in Balance halten und auf Impulse von Außen reagieren.
Der größte Nerv des Parasympathikus ist der 10., der Nervus vagus, der fast alle Organe mit dem Gehirn verbindet. Im Gegensatz zum Sympathikus reagiert der Vagusnerv auf Signale von Innen, vor allem auf Botschaften des Darms.
Gewisse Empfindungen im Darm werden an das Gehirn gesendet, wo sie Emotionen auslösen, die ihrerseits den Darm maßgeblich beeinflussen.
80-90% der 100.000 Nervenfasern des 10. Hirnnerves senden Informationen von den Organen an das Gehirn, der Nervus vagus ist also eine wahre Datenautobahn, während das Gehirn eher über eine Landstrasse mit dem Darm verbunden ist.
Es gehen also unfassbar viele Informationen an unser Gehirn, im Darm sind sehr viele Messstationen, die dauernd Daten über das Eigenleben des Darms an das Gehirn senden. Das Gehirn greift nur in Notsituationen in die Verdauung ein.
Zack Zeitsprung – Steinzeit. Wie Stress auf Deinen Darm wirkt
Ein Mammut kommt ums Eck, der Homo sapiens hat genau drei Möglichkeiten: Kämpfen, Wegrennen, Totstellen.
Der Sympathikus, der Teil des vegetativen Nervensystems, der für die Aktivität zuständig ist, sorgt sofort dafür, dass Kopf und Muskeln mehr Blut zur Verfügung haben – auf Kosten des Verdauungssystems. Außerdem wäre es ja nun der Arterhaltung nicht zuträglich, wenn man auf der Flucht erst aufs Töpfchen muss.
Für das Totstellen sind Reste des Erstarrungs-Vagus zuständig, die erste Form des Vagusnerves, die bei Reptilien und Amphibien sehr ausgeprägt ist. Dieser Vagusanteil ist auch bei uns Menschen zum Teil noch erhalten und senkt bei Aktivierung ebenfalls die Darmaktivität.
Ein weiterer Anteil ist der soziale Vagusnerv, der stark auf das Bindungshormon Oxytocin reagiert, nicht nur eine Erklärung für das Sprichwort „Liebe geht durch den Magen“, sondern auch ein Hinweis darauf, dass Liebe und Körperkontakt für die Entwicklung unseres Magen- und Darmtraktes essentiell sind.
Diese Mechanismen und Aktivierungen sind generell ja sehr nützlich und von der Evolution gewollt, nur sind sie eben auf das Mammut kalibriert und nicht auf den bösartigen Chef, den lieblosen Partner oder die feuerspeiende Schwiegermutter.
Doch leider springt unser System auf Stress an, da sowohl beim Anblick des Mammuts, wie bei der endlosen Diskussion mit einem unliebsamen Kollegen, die gleichen Stresshormone ausgeschüttet werden. Im Gegensatz zur Steinzeit bietet unser neuzeitliches Leben kaum noch Phasen der Regeneration oder Entspannung, die allerdings zur Balance des vegetativen Nervensystems unerlässlich sind.
Darmlabor: Drogenherstellung in Eigenregie
Der Darm beeinflusst das Gehirn aber noch über einen ganz anderen Weg. Die Nervenzellen des Darms können über 30 verschiedene Botenstoffe herstellen, die die Kommunikation und Reizweiterleitung im sogenannten enterischen Nervensystem des Darms gewährleisten.
Zum Beispiel das Glückshormon Serotonin, das für Gelassenheit, Ruhe und Angstfreiheit sorgt und eine wichtige Rolle im Gehirn spielt.
95% des körpereigenen Serotonins werden im Darm produziert und gespeichert. Serotonin Mangel führt zu Ängsten, Schlafproblemen und gedrückter Stimmung, so dass es nicht verwunderlich ist, dass viele Antidepressiva auf dem Prinzip beruhen, den Serotoninspiegel im Gehirn hochzuhalten.
Für mich bedeutet das allerdings im Umkehrschluss, dass es unterlassene Hilfeleistung ist, bei depressiven Verstimmungen und Depressionen, den Darm bei einer Therapie außen vor zu lassen.
Auch Dopamin wird im Darm gebildet, das Belohnungshormon, das Freude, Optimismus, Kraft und Kreativität auslöst.
Aber auch Beruhigungsmittel kann der Darm, da brauchst Du auch kein Valium.
Gamma-Aminobuttersäure, kurz GABA, ist der heiße Shit Deines Körpers, der wichtigste Stoff um Dein Gehirn zu beruhigen.
Beim Mangel kann es zu Angstzuständen und Krampfanfällen kommen, eine Aktivierung des GABA-Systems fördert den Schlaf.
Ungesunde Erinnerungen – wie Emotionen Deinen Darm beeinflussen
Besonders interessant wird es, wenn man sich den Zusammenhang zwischen den Emotionen, Erfahrungen und Erlebnissen und Deinem Darm anschaut.
Man weiß mittlerweile, dass Mütter, die in der Schwangerschaft gestresst oder sehr ängstlich sind, Kinder zur Welt bringen, die weniger Darmbakterien vorweisen. Unter chronischem Stress verändert sich unsere Bakterienflora und unter der Geburt kommt diese veränderte Scheidenflora mit dem Neugeborenen in Kontakt.
Dies bedeutet, das frühkindliche Belastungen die Darm-Gehirn-Connection nachweislich beeinträchtigen.
Fehlen schon früh im Leben bestimmte Bakterien im Darm oder sind nur in geringerer Zahl vorhanden, werden eventuell neuronale Schaltkreise unzureichend programmiert oder aber die stressbedingte Veränderung der Zusammensetzung der Darmbakterien schädigt das Gehirn.
Noch stehen wir am Anfang, was ein neues Begreifen der Zusammenhänge in der Medizin und Psychiatrie angeht. Aber das Eigenleben und die Bedeutung der Bakterien in unserem Körper lässt sich jetzt schon erahnen.
Du hast es selbst in der Hand, Deine Gesundheit zu verbessern. Dein Körpergewicht und Dein Essverhalten wirken sich direkt auf deinen Darm und seine Mitbewohner aus, was wiederum entscheidend ist für Deine psychische Stabilität.
Bleibt mir noch am Schluss die Frage aufzuwerfen, dass wenn die Darmbakterien Deine Emotionen beeinflussen, wer denn dann Herr Deiner Sinne ist?
Mit dieser philosophischen Frage schließe ich meinen Blogartikel und freue mich, wenn Du mir von Deinen Ideen dazu berichtest.
Alles Liebe, Ann-Katrin
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